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ORCHESTERSOUND REVISITED

von HEINRICH OEHMSEN

das ORCHESTER IM TREPPENHAUS ist schon häufig in hamburg aufgetreten: im kleinen saal der elbphilharmonie, im bucerius kunst forum, im knust. in zukunft wird die truppe aus hannover noch häufiger hier gastieren, denn sie spielt am thalia theater die bühnenmusik bei ANNE LENKS inszenierung von SHAKESPEARES „was ihr wollt“.

schon im jahr 2006 hat THOMAS POSTH das kammerorchester gegründet und sich zur aufgabe gemacht, den klassischen konzertbegriff zu erweitern, gängige konzertformate aufzubrechen und so ein neues publikum anzulocken. wichtig ist dabei die suche nach neuen konzertorten. die ersten konzerte fanden im treppenhaus der cumberlandschen galerie, einem spielort des schauspielhaus hannover, statt und gaben dem ensemble den namen.

neun verschiedene formate mit bezeichnungen wie „hygge“, „dark room“, „notfallkonzerte“ oder „disco“ hat das orchester im treppenhaus in seinem repertoire. bei den „notfallkonzerten“ zum beispiel schreiben zehn zuhörer auf einen zettel ihren persönlichen notfall oder ihre aktuelle sorge. das kann ein familienkonflikt sein oder der dauerregen in hamburg. die zehn freiwilligen nehmen dann einer nach dem anderen auf einem sessel unmittelbar vor einem quartett platz und die vier musiker improvisieren dann, nach vorheriger kurzer beratung, wie man das jeweilige problem etwas mildern kann. die improvisierten teile sind meist krasse tonfolgen, die eher aus der neuen musik kommen und darauf schließen lassen, das der anonym aufgeschriebene notfall mehr als nur ein kleines wehwehchen ist.

sehr populär ist auch das „disco“-format, das in hamburg bisher im knust lief, aber auch ideal in den mojo club passen würde. dabei verzichten POSTH und seine kolleginnen darauf, populäre songs neu zu arrangieren. sie spielen stücke von verschiedenen komponisten, die eigens für ihr orchester geschrieben worden sind. fast das ganze zwanzigköpfige ensemble ist bei diesen etwas anderen tanzabenden dabei, zu den benutzten instrumenten gehören neben geigen und celli auch tuba, bassklarinette, trompete, posaune und diverses schlagwerk. dadurch entsteht ein oft jazzig anmutender sound, meistens mit einem treibenden beat als rhythmischer basis. ein weiteres wichtiges element ist die einbindung des publikums, auch das bei popkonzerten üblich, in der klassik aber verpönt.

ZWISCHEN DISCO, TECHNO JAZZ UND FREE FUNK

in diesem frühjahr hat das orchester im treppenhaus bei paschen records ein album mit dem titel „disco“ herausgebracht, auf dem acht dieser oft sechs- bis achtminütigen kompositionen zu hören sind. das jazzige „auf“ eröffnet die platte, weiter geht’s mit „thunderbird“, bei dem die streicher mächtig gas geben; bei „rise a metre, then stop aside“ pumpt die tuba einen schnellen rhythmus und erinnert an den techno-jazz von MEUTE; „fretisch“ mit seinen ständig wechselnden rhythmen ist free funk. das orchester aus niedersachsen hat in den vergangenen jahren auf verschiedenen festivals gespielt, unter anderem im heidelberger frühling, beim mozartfest würzburg, dem festival theaterformen und auch bei der fusion – ebenfalls ein erstklassiger ort für die performances dieses innovativen kammerorchesters.